BÜRSTEN
ANNA WANITSCHKE, JULIA WENDE (Studio WENWAN, Leipzig)
Porzellan bildet den Teil der Bürste, der eine Person ihr ganzes Leben lang begleiten kann.
Jacob Strobel
Jahrhunderte koexistierten die berühmte sächsische Porzellanmanufaktur und traditionsreiche sächsische Bürstenmachereien ohne große Schnittstellen. Doch Studio WENWAN geht es offensichtlich gegen den Strich, dass Bürsten samt Körper entsorgt werden, wenn die Borsten am Ende sind – und fusioniert so Naturborsten mit edlen Körpern aus Porzellan. Diese frappierende Kombination kommt in solch selbstverständlicher und selbstbewusster Gestalt daher, dass die heterogene Jury unbestritten und mit einer Stimme den Staatspreis vergibt. Ausgezeichnet wird hier eine schlüssige Produktfamilie, die unaufdringlich, aber eindeutig mit farblichen und formalen Zitaten spielt. Möglicherweise möchte sie suggerieren, sie sei schon immer da; sicherlich jedoch ist sie gekommen, um zu bleiben. Denn der Besatz lässt sich bei allen Modellen mit fast ritueller Geste wechseln. Einzelne oder gereihte Hohlzylinder aus Porzellan fassen die gebündelten Borsten, kommunizieren so auf den ersten Blick die nachhaltige Konstruktion. Dezente kobaltblaue Glasurmalerei ist nicht nur ein Verweis auf Historisches, sondern Indikator zur korrekten Bedienung. An der ebenfalls blauen Kordel hängend, ist das Werkzeug aufgeräumt, die Borsten trocknen ohne Staunässe. Feine Kanneluren im Porzellankörper wollen achtsam begriffen werden und sorgen dafür, dass die Bürsten mit sicherem Griff geführt werden können. Usability und Ästhetik gehen vorbildlich Hand in Hand. Dort, wo die Sinnhaftigkeit der Materialkombination an ihre Grenzen gerät, etwa weil Porzellan an einer Spülbürste mit dem Wunsch nach einem langlebigen Produkt kollidiert, wird souverän reduziert: Hier tut es der Besatz alleine. Gratulation zu einer gestalterischen Leistung, die komplexe Ansprüche zu einem kunsthandwerklichen Produkt verdichtet, welches das Potenzial zum Klassiker hat.
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