SCHANDMAL/MAHNMAL


Constanze Lorenz, Josephine Dishoni | Studio LUNDD (Leipzig)
Visuelle Interventionen als Umgangsform mit dissonanten Objekten oder Kunst- und Bauwerken verfolgen meist den Zweck, auf gesellschaftliche Missstände und Veränderungen hinzuweisen oder politische Statements zu betonen.
Jona Piehl
Gestaltung ist schon lange nicht mehr nur die Beschäftigung mit den Oberflächen, der Form von Dingen.
Im Gegenteil, in einem erweiterten Verständnis von Design streben wir nach Gestaltung, die mehr ist und mehr sein will. Gestaltung, die ihre gesellschaftspolitische Rolle erkennt und diese als Verantwortung wahrnimmt, die nicht nur das Ergebnis prägt, sondern im Prozess selbst wirksam wird. Diese Dimensionen gestalterischer Praxis bleiben in Projektbeschreibungen oft unerwähnt, stellen aber unserer Meinung nach einen entscheidenden Aspekt zeitgenössischer Gestaltung dar.
„Schandmal/Mahnmal“ von Constanze Lorenz und Josephine Dishoni adressiert den Umgang mit antisemitischen Bildprogrammen im öffentlichen Raum, speziell der Vielzahl von Schmähplastiken, die bis heute auf Fassaden von Kirchen zu finden sind. Ausgehend von einer umfassenden Recherche und Gesprächen mit unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren werden visuell-räumliche Formate der Intervention entwickelt, die diese Plastiken zur Diskussion stellen und so inhaltliche Sichtbarkeit schaffen, ohne dabei ihre visuelle Präsenz zu verstärken. Hier wird der gestalterische Entwurf nicht zu einer Lösung, sondern zu einem Vorschlag, zu einer Gelegenheit des kritischen Austauschs und der gemeinschaftlichen Aushandlung der Gestaltung öffentlicher Räume. Die Bedeutung von Projekten, die den Dialog suchen und die vor schwierigen Themen und den damit möglicherweise verbundenen Konflikten nicht zurückscheuen, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Die Jury möchte diese Bereitschaft, Position zu beziehen und mit Gestaltung eine inhaltliche Auseinandersetzung zu wagen, daher an dieser Stelle ganz ausdrücklich würdigen.
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